1) Die groß angelegte Ausforschungsaktion von BUE und LGH ist datenschutzrechtlich mehr als bedenklich. Dies zeigt die Antwort aus dem Büro des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit auf die Anfrage eines Kleingärtners. Eine Auskunftspflicht scheint nicht zu bestehen, die angebliche Rechtsgrundlage leuchtet nicht ein und es fehlt sogar die nach DSGVO obligatorische Datenschutzerklärung. Au weia! Vorstände, die den Fragebogen in dieser Form an ihre Pächter geben, könnten sich daran die Finger verbrennen. Kleingärtner und Vereinsvorstände, die sich die ärgerliche Aktion nicht gefallen lassen wollen, sollten diese Antwort genau lesen.
2) Die von den Initiatoren -nachträglich- angeführte Begründung, eine Auskunftspflicht ergebe sich angeblich aus dem Paragrafen 242 des BGB („Treu und Glauben“), weiß ebenfalls nicht zu überzeugen. Ein Rückgriff auf diesen „Gummiparagrafen“ zeigt wohl schon, dass eine passende Rechtsgrundlage nicht vorhanden ist. Passend hierzu gibt es ein aktuelles („höchstrichterliches„) Urteil des BGH (Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Februar 2018 – III ZR 65/17). In einem sehr guten Kommentar ist zu diesem Urteil zu lesen:
„Bei einem auf Treu und Glauben gestützten Auskunftsbegehren muss der Anspruchsberechtigte zunächst alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Auskunft auf andere Weise zu erlangen. Eine vorrangig zu nutzende Informationsmöglichkeit ist regelmäßig dann gegeben, wenn ein unmittelbarer, nicht auf § 242 BGB gestützter gesetzlicher oder vertraglicher Auskunftsanspruch gegen eine andere Person oder Stelle besteht. Sieht der Berechtigte von vornherein schuldhaft davon ab, auf andere Erkenntnismöglichkeiten zuzugreifen, kann er einen Auskunftsanspruch nicht mehr auf § 242 BGB stützen.“ (https://www.rechtslupe.de/zivilrecht/auskunftsanspruch-treu-glauben-3129769, abgerufen am 21.12.2018)
Das Büro des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten stellt zum Begründungsversuch mit Paragraf 242 BGB fest: „Auch diese zusätzlichen Erläuterungen vermögen eine Auskunftspflicht nicht zu konstituieren.“ (E-Mail vom 10.12.2018)
Die BUE hat als Aufsichtsbehörde das Recht, auf einzelne Pächter zuzugehen, wenn Hinweise auf Verstöße vorliegen. Hierzu ein kleiner Exkurs: Zwischen Januar 2015 und Dezember 2018 wurden auf diese Weise 5425 Parzellen durch die BUE kontrolliert (vgl. Senatsdrucksache 21-15141). Sonderbarer Weise bleibt der Senat die Antwort schuldig, wie viele Abwasserverstöße dabei gefunden wurden. Wie glaubhaft ist es, dass eine Behörde über 5000 Kontrollen durchführt und hinterher nicht einmal sagen kann, wie viele Verstöße vorgefunden wurden? Was ist denn sonst das Ziel? Im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung nimmt es einem niemand mehr ab, dass solche grundlegenden Daten „nicht in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit aufbereitet werden“ können.
Immer wieder werden Kleingärtner als Umweltsünder dargestellt. Jetzt, da die Behörde diese Behauptungen endlich einmal mit Zahlen unterfüttern könnte, bleibt dies aber aus. Warum? Stimmen die bösen Gerüchte am Ende gar nicht? Wird die Zahl vielleicht deshalb nicht genannt, weil sie so verschwindend gering ist, dass die ganze Fragebogenaktion vollends lächerlich würde?
Die Kleingärtner als Pächter sind eigene natürliche Personen, die individuelle Rechtsbeziehungen mit ihrem jeweiligen Verein haben. Wie im hier zitierten Urteil des BGH gibt es auch im Fall der Abwasserbefragung „keine konkreten Anhaltspunkte für den begründeten Verdacht einer Vertragsverletzung“ des einzelnen Kleingärtners.
Anders gesagt: Weil mein Nachbar einen Dackel hat und ein notorischer Falschparker ist, kann die Stadt nicht mit der Begründung, für ordnungsgemäße Zustände sorgen zu wollen, alle Dackelbesitzer unter Generalverdacht stellen und sie dazu verpflichten, einen Fragebogen auszufüllen, in dem sie angeben sollen, ob sie ein Auto haben und wie oft sie falsch parken. Und sie kann auch nicht den Dackelverein oder den ADAC dazu verpflichten, die Richtigkeit dieser Angaben zu kontrollieren. Das klingt albern? Es ist nicht weniger albern als das, was gerade in den Kleingärten versucht wird.
Auch im Urteil des BGH ging es dem Kläger (der das Verfahren natürlich verloren hat) darum, Auskünfte zu erhalten, um mögliche Pflichtverletzungen festzustellen. Eine solches unsubstantiiertes Vorbringen kann keine Auskunftspflicht begründen. Der einzelne Kleingärtner, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, liefert keinen Anhaltspunkt, der ein solches Auskunftsersuchen rechtfertigen würde.
Im hier zitierten Kommentar zum Urteil des BGH heißt es: „Bei dieser Sachlage dient das Auskunftsbegehren nach § 242 BGB, das allenfalls auf bloße Mutmaßungen des Klägers “ins Blaue hinein” gestützt wird, allein der unzulässigen Ausforschung.“ (Rechtslupe, ebd.)
Weiter bedeutet dies: „Würde man dies anders sehen, könnte der Anspruchsteller, der die Voraussetzungen des behaupteten Schadensersatzanspruchs darlegen (und gegebenfalls beweisen) muss, diese Pflicht durch Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs auf den Schädiger überwälzen.“ (Rechtslupe, ebd.)
Das wäre in der Tat eine verkehrte Welt. In Hamburg scheinen BUE und LGH dies in Ordnung zu finden. Es kann damit gerechnet werden, dass subjektiv Betroffene diesbezüglich den Rechtsweg beschreiten werden.