Der Hamburger Kleingärtner-Verband fordert die Schreber aktuell zu einer peinlichen Selbstauskunft über den Inhalt ihrer Gartenlaube auf. Vereins-Vorstände sollen sich unter anderem die Toiletten ihrer Gartenfreunde ansehen und darüber Bericht an den Verband erstatten. Wer nicht mitmacht, macht sich verdächtig und wird mit „rechtlichen Konsequenzen“ bedroht. Kleingärtner laufen dagegen Sturm.
Gerade erst ist im Großteil der Hamburger Kleingartenvereine (aber nicht in allen) die Aufzwingung einer Einheitssatzung erfolgt. Darin enthalten:
1. Die Einverständniserklärung der Mitglieder mit der jederzeit möglichen Kündigung ihrer Gärten wegen Nachverdichtung.
2. Die Aushebelung des gesetzlich garantierten Bestandsschutzes für Behelfsheime und ältere Lauben durch „freiwilligen“ Verzicht.
3. Die weitere Verschmelzung von Pachtvertrag, Vereinssatzung und Gartenordnung zu einem undurchsichtigen Konstrukt, das es den Kleingärtnern immer schwerer macht, ihre Rechte zu verstehen – geschweige denn durchzusetzen.
Vereine, die bisher meinten, von den Auswirkungen dieses Machwerks verschont zu bleiben und die dachten, dies alles betreffe sie nicht, werden spätestens jetzt eines Besseren belehrt.
Denn das in der Mustersatzung enthaltene generalisierende Verbot von Ver- und Entsorgungseinrichtungen (z.B. Wasser, Abwasser) in der Gartenlaube wird nun vom Dachverband aufgegriffen und mittels einer mehr als fragwürdigen „Fragebogenaktion“ verfolgt. Startschuss ist ein Artikel in der Hamburger Ausgabe der Verbandszeitung „Gartenfreund“, die die 43.000 Hamburger Kleingärtner jeden Monat erhalten. Sie werden darin aufgefordert, einen Fragebogen auszufüllen, mit dem sie dem Dachverband Auskunft darüber geben sollen, wie es in ihrer Laube aussieht. Der Fragebogen selbst liegt zwar noch nicht vor, aber anhand vergangener „Testläufe“ in einzelnen Vereinen lassen sich die Fragen erahnen. Es geht etwa darum, ob man einen Wasseranschluss an oder in der Laube hat, ob man eine Toilette hat, was für eine Toilette das ist, wann und wie das Abwasser entsorgt wird usw.
Die Richtigkeit dieser Angaben soll der Vorstand des jeweiligen Vereins im Rahmen von Ortsterminen („Begehungen“) überprüfen, mit seiner Unterschrift bestätigen und den Fragebogen dann an den Landesbund senden. Wenn der ehrenamtlich tätige Gartenvorstand als Blockwart des 21. Jahrhunderts agieren soll, dann werden Erinnerungen an dunkle Zeiten wach.
Uns haben daher in den letzten Tagen so viele Zuschriften erreicht wie noch nie. Die Gartenfreunde zeigen sich durchweg „entsetzt“ über die geplante Aktion des Landesverbands. Von „Stasi-Methoden“ ist da die Rede, von einem „Überwachungscoup“ oder einem „unverschämten Eingriff in die Privatsphäre“. In etlichen Zuschriften wird die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens in Frage gestellt. Denn dadurch werde, wie ein Gartenfreund uns schreibt, „jeder Kleingärtner per se kriminalisiert und unter Generalverdacht gestellt“.
Dieser Auffassung schließen wir uns an. Im Schreiben des Verbands heißt es allen Ernstes: „Der Landesbund geht bei nicht durchgeführten Überprüfungen von Lauben durch die Vereinsvorstände davon aus, dass hier Abwassermissstände vorliegen könnten.“
Hier wird das Prinzip der Unschuldsvermutung mal eben ins Gegenteil verkehrt! Den Vorständen wird Angst gemacht, dass die Umweltbehörde ihren Verein ins Visier nimmt und mit Kontrollen heimsucht, wenn sie keinen Gehorsam leisten und den Wunsch des Verbands nicht brav ausführen. Dabei sollen sie das Recht der Pächter auf Unverletzlichkeit der Wohnung (das sich auch auf die Gartenlaube erstreckt) mit Füßen treten und die eigenen Mitglieder bespitzeln.
Wie sehr will man die Gartenfreunde noch gegeneinander aufhetzen und das unsägliche, die Gemeinschaft zersetzende Denunziantenum anfachen?
Als hätte das Klima in vielen Vereinen durch die Auseinandersetzung um die versuchte Gleichschaltung via Zwangssatzung nicht schon genug gelitten. Nun also sollen die Gartenfreunde dazu genötigt werden, sich einer peinlichen Kontrolle zu unterziehen, die tief in ihre persönlichen Rechte eingreift. Am wenigsten wären dabei die Vorstände zu beneiden, die ihre eigenen Nachbarn und Gartenfreunde „kontrollieren“ und ggf. anschwärzen sollen.
Entgegen seiner Behauptungen hat der Verband kein Recht auf eine solche Auskunft. Richtiggehend frech ist die Behauptung, ein solcher Daten-Striptease ergebe sich aus einer angeblichen „Auskunftspflicht“, die in Paragraph 9 des Bundeskleingartengesetzes geregelt sei. Diese Behauptung ist schlichtweg falsch. Im BKleingG steht nichts von einer solchen Auskunftspflicht.
Für die Hamburger Kleingärtner sind solche Finten jedoch nichts Neues. Für eine Gartenfreundin, die uns geschrieben hat, ist klar: „Dieser Aufruf dient einzig und allein dazu, Anhaltspunkte für Abmahnungen gegen die Vereine zu generieren. Alles ist willkommen, was dabei hilft, Kleingärten zu Bauland zu machen.“
Komme man dem als Vorstand nach, dann sei weiterer Stress mit Umweltbehörde, Verband und Mitgliedern vorprogrammiert, warnt ein Vereinsvorsitzender in einer längeren Zuschrift. Das Argument, der Dachverband wolle für „ordnungsgemäße Zustände“ sorgen, halte er für „vollkommen durchsichtig und vorgeschoben“. Es gehe wieder einmal einzig und allein darum, die Vereine in der Hand zu haben und die Kleingärtner als potentielle Umweltsünder zu diffamieren. Die Angst solle umgehen, damit die Kleingärtner nicht selbstbewusst für ihre Rechte einträten. Das sei die seit Jahrzehnten erprobte Verbandsstrategie. Wer die Aktion unterstütze, müsse zudem mit einem Kleinkrieg im Verein rechnen.
Die Schreberrebellen rufen alle Vorstände und Kleingärtner dazu auf, sich nicht durch solche Bespitzelungsaktionen spalten und gegeneinander aufbringen zu lassen, sondern einig zusammenzustehen und sich gemeinsam dagegen zur Wehr zu setzen.
Liebe Vorstände, es gibt keine Pflicht, gegen die eigenen Mitglieder und letztlich den eigenen Verein tätig zu werden!
Verlegen Sie sich nicht auf das Argument „Wer nichts zu verbergen hat, der kann ja auch seine Laube zeigen“. Die angebliche „Auskunftspflicht“ in Paragraph 9 BKleingG ist zwar eine lupenreine Unwahrheit, aber darum geht es nicht. Es geht auch nicht „nur“ um das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung. Es geht vielmehr darum, wie wir uns gegenseitig behandeln. Es geht darum, dass wir Kleingärtner uns nicht gegen uns selbst instrumentalisieren lassen. Es geht darum, dass wir unser Recht nicht nach Belieben einschränken und andere über uns verfügen lassen, als wären wir deren Leibeigene!
Für alle freiheitlich-demokratisch denkenden Menschen und für alle gemeinschatlich fühlenden Gartenfreunde sollte es klar sein, solche die Gemeinschaft zersetzenden Aktionen zu verurteilen und sie ohne Wenn und Aber zu boykottieren.