Schreberrebellen e.V.

Gemeinsam für Natur und Kleingärten in Hamburg

Abwasser im Kleingarten

Toiletten-Spionage

Im Dezember 2018 und den Folgewochen erregte eine Massenbefragung in den Hamburger Gartenvereinen für großes Aufsehen. Sie stand vor allem aus datenschutzrechtlichen Gründen in der Kritik. Pächterinnen und Pächter sollten Auskunft über die in ihrem Garten genutzte Toilettentechnik geben. Die Vorstände sollten die Richtigkeit der Angaben anschließend durch eine „Begehung“ überprüfen und das Ergebnis an den LGH melden. Das gegenseitige Kontrollieren und Anschwärzen gehören nun nicht eben zu den Praktiken, die dem Vereinsklima zuträglich sind. Entsprechend verschnupft reagierten die Kleingärtner auf den Ausforschungsversuch im amtlichen Gewand.

Dank einer schnellen Intervention der Schreberrebellen und tausender Kleingärtner konnte die Ausspäh-Aktion mittels einer Petition an den Eingabenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft gekippt worden. Der LGH musste die Aktion eiligst stoppen und forderte die Vorstände dazu auf, eingesammelte Fragebögen auf keinen Fall auszuwerten, sondern unter Wahrung des Datenschutzes umgehend zu vernichten.

Ein nachgeschobene „freiwillige“ Befragung mittels einer Beilage in der Verbandspostille „Gartenfreund“ sollte wohl zur Gesichtswahtung dienen. Man hat nie wieder etwas davon gehört. Es ist davon auszugehen, dass kaum jemand von der „freiwilligen Selbstauskunft“ Gebrauch gemacht hat.

Was steckt hinter solchen Aktionen, die offenbar ein hamburgisches Spezifikum sind?

Abwasser als Politikum

Angeblich ging es der in der Befragung der Umweltbehörde BUE (heute BUKEA) darum, „Abwassermissstände“ aufzudecken bzw. abzustellen. Sind die Hamburger Kleingärtner besondere Umweltsäue? Nein, das Problem ist vielmehr, dass eine saubere Lösung (z.B. Spültoiletten mit dichten Abwassertanks) in Hamburg nicht erwünscht ist. Dort wird es immer so dargestellt, als würde dies im Widerspruch zum Bundeskleingartengesetz stehen und das Ende des Kleingartenwesens bedeuten. Das ist völliger Unsinn, wie ein Blick in andere Regionen der Republik beweist, wo die selben Gesetze gelten.

In Bremer Kleingärten geht das alles beispielsweise völlig problemlos, und zwar schon seit dem Jahr 2009. Der Landesbund der Gartenfreunde in Bremen schreibt dazu:

„Die Bremer Kommune hat als Gesetzgeber mit §6a Entwässerungsortsgesetz die Voraussetzungen und Bedingungen für eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung geschaffen.
Durch Beschlussfassung auf der Delegiertenversammlung vom 21.03.2009 erklären sich die Vereine bereit, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Umsetzung zu übernehmen.
Die eingesetzten abflusslosen Sammelgruben (geschlossenen Abwasserbehälter) müssen eine Zulassung haben. Diese DIBt-Nr. vom Deutschen Institut für Bautechnik gewährleistet die erforderlichen Standards, um in Sachen Umweltschutz auf der richtigen Seite zu stehen!“

Auch andere Bundesländer wie NRW machen vor, dass ein vernünftiger Umgang mit Abwasser auch im Kleingarten möglich ist, wenn die Verantwortlichen sie wollen. Warum wird diese Lösung in Hamburg konsequent verhindert? Sie ist politisch offenbar nicht gewollt. Über die Gründe lässt sich spekulieren.

„Wer spült, der wohnt“

Die offizielle Begründung, die man von Verbandsebene hört, ist die, dass das Vorhandensein von Spültoiletten einer Wohnnutzung Vorschub leisten würde. Das sehen viele Gartenpächter anders. Im 21. Jahrhundert ist es kein „Wohnluxus“ mehr, seine Notdurft auf hygienische Weise zu verrichten.

Der LGH jedoch besteht darauf, dass Abwässer „auf der Parzelle“ entsorgt werden und auch nicht durch Fachfirmen abgepumpt werden dürfen, was letztlich bedeutet, dass das Zeug auf einem (hoffentlich eigens dafür vorgesehenen) Komposthaufen landet. Es soll dann zur Düngung von Zierbeeten genutzt werden.

Kompostieren ist teilweise bedenklich

Das Kompostieren von Fäkalien im Sinne eines Stoffkreislaufs kann natürlich eine Lösung sein. Für viele Gartennutzerinnen und Gartennutzer kommt sie aber nicht in Frage. So teilt die Hamburger Umweltbehörde auf hamburg.de mit:

„Über undichte Leitungen können Abwasser und die darin gelösten Stoffe austreten und in das Grundwasser gelangen. Hierbei spielen vor allem Haushaltschemikalien und – in wachsendem Maße – vom Körper ausgeschiedene Arzneimittel eine große Rolle. In vielen Flüssen werden bereits Arzneimittel nachgewiesen, die in den Kläranlagen mit konventioneller Abwasserbehandlungstechnik nicht zurückgehalten werden können. Auch wenn die gemessenen Konzentrationen in aller Regel noch sehr gering sind, muss diese Entwicklung mit großer Sorge betrachtet werden, da über die Langzeitwirkung auch geringer Spuren von Arzneimitteln in der Umwelt bisher wenig bekannt ist.“

Ob Arzneimittel nun durch undichte Leitungen im Boden versickern oder ob man sie mit dem Kompost im Garten verteilt, dürfte auf dasselbe herauskommen. Es ist offensichtlich, dass die Umweltbehörde hier mit zweierlei Maß misst. Ein Argument gegen abflusslose Sammelbehälter lässt sich daraus jedenfalls nicht herleiten.

Endlich für hygienische Verhältnisse sorgen

In der Praxis führt die strikte Verweigerungshaltung dazu, dass mancher Kleingärtner eben doch „heimlich“ seine Spültoilette betreibt. Andere greifen zu „Eimerlösung“, aber sie kompostieren gar nicht, sondern haben eine Grube, in der alles landet. Viele der vom Verband so oft gescholtenen „Abwassermissstände“ haben ihre Ursachen in der Verweigerungshaltung des Verbands selbst, die einer zeit- und umweltgemäßen Abwasserlösung für alle Kleingärtner im Wege steht.

Die Umweltbehörde als für das Kleingartenwesen zuständige Aufsichtsbehörde und der Kleingärtnerdachverband LGH müssen sich endlich zum Umweltschutz bekennen. Die einzige Lösung für Menschen, die Medikamente einnehmen, sind dichte Abwassertanks, wie sie das Hamburger Abwassergesetz für privat genutzte Grundstücke auch vorsieht. Oder natürlich, z.B. bei der Neuherrichtung von Anlagen, der Anschluss ans öffentliche Abwassernetz.

Auch – und gerade – Menschen, die auf Medikamente angewiesen sind, haben das Recht, einen Kleingarten zu nutzen, ohne dafür kriminalisiert zu werden, dass sie sich weigern, die Umwelt zu belasten, indem sie ihre mit Arzneimittelrückständen belasteten Fäkalien im Garten ausbringen. Wenn der Weg frei ist für eine hygienische Abwasserentsorgung, die man nicht verheimlichen muss, dann werden auch die (durch die starren Vorgaben oftmals selbst erzeugten) „Abwassermissstände“ der Vergangenheit angehören.

Deshalb fordern wir von den Verantwortlichen die uneingeschränkte Billigung von dichten, zertifizierten, umweltgerechten Abwassertanks in Kleingärten.

Dass dies problemlos möglich ist und auch mit dem Bundeskleingartengesetz vereinbar ist, zeigt ein Blick in andere Bundesländer. In NRW geht man teilweise noch einen Schritt weiter und schließt die Anlagen gleich ans Abwassernetz an. Peter Vossen, Vorsitzender des Stadtverbands Düsseldorf der Kleingärtner e.V.:

„Es wäre wünschenswert, wenn auch bei den Landesverbänden und dem Bund Deutscher Gartenfreunde ein Umdenken hin zu einem modernen Kleingartenwesen einsetzen würde. Wer sich Natur- und Umweltschutz auf die Fahne schreibt, der kommt an einer sauberen Abwasserentsorgung nicht vorbei. (…)

Zusammenfassend ist festzustellen: Alle Gartenfreunde, deren Gartenlauben an das Abwassersystem angeschlossen wurden, möchten diese Art der Entsorgung nicht mehr missen. Die Zeit der „Sickergruben“ ist vorbei. Es wird gesetzmäßig, sauber und umweltgerecht entsorgt.“

(Quelle: https://www.vdgn.de/vdgn-journal/2016/vdgn-journal-4-2016/beitrag/der-lange-weg-zum-kanal/)

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